Kirchenglocken als Lärm­belästigung – Das Ruhe­bedürfnis der Andersdenkenden

Von Franziska L.

Letzte Aktualisierung am: 30. Oktober 2024

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Header Lärmbelästigung durch Kirchenglocken
Zur halben Stunde, zur vollen Stunde, zum Gottesdienst: In Städten und Dörfern gehört das Läuten der Kirchen zur alltäglichen Geräuschkulisse. Gerade für Anwohner in unmittelbarer Nachbarschaft zum Gotteshaus kann das mitunter nervtötend und störend werden. Doch stellt das Läuten der Kirchenglocken eine Lärmbelästigung dar? In welchen Fällen können Betroffene hiergegen vorgehen? Auskunft hierüber gibt der folgende Ratgeber.

FAQ: Lärmbelästigung durch Kirchenglocken

Lässt sich gegen Kirchenglocken als Lärmbelästigung vorgehen?

Ob es sich bei dem Läuten der Kirchenglocken rechtlich um eine Lärmbelästigung handelt, die Anwohner nicht hinnehmen müssen, hängt unter anderem vom Anlass des Läutens ab. Dabei wird unterschieden zwischen sakralem Läuten und dem Lauten als Zeitangabe.

Warum macht es einen Unterschied weshalb die Kirchenglocken läuten?

Das sakrale Läuten kann durch die Religionsfreiheit verfassungsrechtlich geschützt sein. Mehr dazu lesen Sie hier.

Welche immissionsschutzrechtlichen Richtwerte müssen Kirchenglocken beim Zeitschlag in der Regel einhalten?

Laut Gesetz sind 30 dB (AA) am Tag und 20 dB (A) in der Nacht zulässig.

Lärmbelästigung durch Kirchenglocken: Die Kirche genießt religiösen Schutz.
Lärmbelästigung durch Kirchenglocken: Die Kirche genießt religiösen Schutz.

Endlich Wochenende. Ausschlafen – so der Gedanke vieler Menschen, die sich nach einer anstrengenden Woche etwas mehr und länger Schlaf gönnen möchten. Doch dann – bim bam bim bam – werden sie am Morgen vom Läuten der Kirchenglocken geweckt. Aus und vorbei ist es mit der Ruhe. Vor allem für kirchenfremde Menschen kann sich hier die Frage stellen, ob es sich um eine unzumutbare Lärmbelästigung durch Kirchenglocken handelt, die unter Umständen auch durch ein Gericht unterbunden werden kann.

Kirchenglocken als Lärmbelästigung: Ein Streitthema seit Jahrzehnten

Der Streit um das Glockengeläut ist schon Jahrzehnte alt. Bereits in den 1950er Jahren versuchten Mitbürger, die nicht der Kirche angehörten, gegen diesen Lärm gerichtlich vorzugehen. Am 23.06.1953 urteilte das Oberverwaltungsgericht Koblenz, dass es ausschließlich Angelegenheit der Kirchengemeinden sei, wann und mit wieviel Glocken sie läuten.

Wenn Kirchenglocken zur Lärmbelästigung werden, ist es schwierig Urteile zu erwirken.
Wenn Kirchenglocken zur Lärmbelästigung werden, ist es schwierig Urteile zu erwirken.

Seit dem damaligen Urteil haben sich die Zeiten und Ansichten geändert, auch im Hinblick auf kirchliches Glockengeläut. Mit dem Thema Lärmbelästigung durch Kirchenglocken haben sich seitdem zahlreiche Urteile befasst.

Für Betroffene, die mit dem Gedanken spielen, gerichtlich gegen diese Art von Lärm vorzugehen, ist zunächst eine wesentliche Unterscheidung von Bedeutung:

  • Gegen das sakrale Kirchengeläut (z. B. das Angelusläuten oder das Glockenläuten zum Kirchendienst) kann nur vor den Verwaltungsgerichten geklagt werden.
  • Über die Zumutbarkeit des Zeitschlagens durch Kirchenglocken haben hingegen die Zivilgerichte zu entscheiden.

Sakrales Läuten der Kirchenglocken: „Keine Lärmbelästigung“ lauten die Urteile

Laut dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.09.1996 (Az. 4 B 152/96) stellt das liturgische Glockenläuten im herkömmlichen Rahmen in der Regel keine erhebliche Lärmbelästigung dar. Vielmehr sei dieses Läuten als zumutbar und sozialadäquat hinzunehmen.

Grundsätzlich sind bei Lärmbelästigungen aller Art bestimmte immissionsschutzrechtliche Richtwerte einzuhalten, und zwar:

  • 30 dB (AA) am Tag
  • 20 dB (A) in der Nacht

Allerdings gelten diese Werte im Bereich des liturgischen bzw. sakralen Glockengeläuts nur in einem begrenzten Rahmen, weil dieses Läuten als Ausübung der Religionsfreiheit verfassungsrechtlich geschützt ist (Art. 4 Abs. 2 Grundgesetz). Aus diesem Grund seien Geräuschimmissionen gewöhnlich als sozialadäquat hinzunehmen (BVerwG, Urteil vom 07.10.1983, Az. 7 C 44/81).

Deswegen wird ein gerichtliches Vorgehen gegen ein liturgisches Läuten der Kirchenglocken selten Erfolg haben, solange dieses im herkömmlichen Rahmen praktiziert wird.

Lärmbelästigung durch Kirchenglocken beim Zeitschlagen

Das Läuten von Kirchenglocken darf den Maximalwert von 30 dB nicht überschreiten.
Das Läuten von Kirchenglocken darf den Maximalwert von 30 dB nicht überschreiten.

Das Zeitschlagen durch die Kirchenglocken hat nach der Rechtsprechung keinen sakralen Charakter und sei damit nicht dem Sonderstatus der Kirchen zuzurechnen. Das heißt, Kirchen können sich hierbei nicht auf die Freiheit der Religionsausübung berufen. Außerdem habe es unter den heutigen Lebensverhältnissen in seiner Funktion der Zeitangabe an Bedeutung verloren.

Aus diesen Gründen ist diese Art des Glockenläutens rein privatrechtlicher Natur. Es muss sich deswegen auch an die Voraussetzungen des Immissionsschutzrechts halten.

Bei der Beurteilung, ob das zeitliche Läuten der Kirchenglocken eine erhebliche Lärmbelästigung darstellt, ist auf die Lautstärke und Lästigkeit des Einzelgeräuschs abzustellen. Danach darf das Zeitschlagen folgende Richtwerte nicht überschreiten:

  • 30 dB (AA) an Tage
  • 20 dB (A) in der Nacht

Das Vorgehen gegen diese eher weltliche Lärmbelästigung durch Kirchenglocken ist erfolgsversprechender als gegen das sakrale Läuten. Doch auch hier kann unter Umständen eine gewisse Toleranz von den betroffenen Anwohnern gefordert werden, z. B. wenn das Zeitläuten seit Jahrzehnten am Ort üblich war, ohne dass es bisher zu Klagen oder Beschwerden hiergegen kam.

Über den Autor

Franziska
Franziska L.

Franziska ist seit 2017 Mitglied der Redaktion von bussgeldkatalog.net. In ihren Textbeiträgen befasst sie sich vor allem mit Fragen des allgemeinen Ordnungswidrigkeitenrechts.

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