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Per Notregelung zum eigenen Haus gelangen
Damit Sie als Eigentümer auf Ihr Grundstück gelangen können, ist eine Anbindung an eine öffentliche Straße notwendig. Ist diese allerdings aufgrund einer Baustelle oder einer Überschwemmung versperrt, kann der Fall eintreten, dass die Hausbesitzer auf normalem Wege ihre Immobilie nicht mehr erreichen können. Für solche Situationen sieht der Gesetzgeber im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) das sogenannte Notwegerecht vor.
Doch welche Befugnisse erhalten Sie dadurch? An welche Voraussetzungen ist das Notwegerecht gebunden? Können dadurch Kosten anfallen? Und ist es notwendig, das Notwegerecht im Grundbuch eintragen zu lassen? Antworten auf diese und weitere Fragen liefert der nachfolgende Ratgeber.
FAQ: Notwegerecht
Können Sie das eigene Grundstück aufgrund einer Baustelle nicht mehr erreichen, kann ein Gericht Ihnen die Erlaubnis erteilen, dafür das Grundstück eines Nachbarn zu nutzen.
Ja, welche Vorhaben dabei gelten, erfahren Sie hier.
Hier haben wir verschiedene Urteile zusammengefasst.
Was ist unter dem „Notwegerecht“ zu verstehen?
Beim Notwegerecht handelt es sich um einen Aspekt aus dem Nachbarrecht und bezieht sich somit auf die Rechtsbeziehung zwischen Nachbarn. Dieses greift in der Regel immer dann, wenn die öffentliche Zufahrt zu einem Grundstück (zeitweise) abgeschnitten ist. Ein möglicher Grund dafür kann zum Beispiel die Durchführung umfangreicherer Straßenbauarbeiten sein.
In § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB heißt es dazu:
Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden.
Auch wenn dieses Recht grundsätzlich für eine Notsituation und somit einen begrenzten Zeitraum ausgelegt ist, besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, dass dieser Zustand dauerhaft vorliegt. Allerdings erfolgt – im Gegensatz zum regulären Wegerecht – keine Eintragung ins Grundbuch, weshalb das Notwegerecht nur für die jeweiligen Eigentümer gilt. Zudem lässt sich das Notwegerecht nicht als Gewohnheitsrecht vererben.
Besteht eine Notlage, dürfen beeinträchtigte Grundstücksbesitzer allerdings nicht automatisch vom Notwegerecht Gebrauch machen. So ist für den Fall, dass der Nachbar die Nutzung verweigert, eine entsprechende Klage bei Gericht einzureichen. Denn erst durch ein Urteil ist Ihr Nachbar zur Duldung verpflichtet. Über den Umfang des Benutzungsrechts bestimmt dann ein Richter. Diese kann zum Beispiel beim Notwegerecht die Breite der Überführung festlegen.
Was muss ich beachten, wenn ich ein Notwegerecht einklagen will?
Damit ein Notwegerecht nach § 917 BGB besteht, müssen allerdings verschiedene Kriterien erfüllt sein. So darf das Grundstück, für welches Sie dieses besondere Wegerecht beanspruchen wollen, über keine Anbindung zu einer öffentlichen Straße verfügen. Ist ein Zugang durch einen Umweg oder bauliche Maßnahmen – wie den Einbau eines Tors in einen bestehenden Zaun – möglich, findet das Notwegerecht in der Regel keine Anwendung.
Eine weitere Voraussetzung ist die Notwendigkeit. Diese gilt meist als gegeben, wenn Sie Ihr Grundstück ohne eine solche Verbindung zu einer öffentlichen Straße nicht angemessen nutzen können. So ist es zum Beispiel bei einem gewerblich genutzten Grundstück häufig notwendig, dieses mit Kfz zu erreichen, um Material zu liefern oder Waren abzutransportieren. Im Gegensatz dazu kann es bei einem Wohnhaus unter Umständen bereits ausreichen, wenn dieses zu Fuß erreichbar ist. Bei der Bewertung gilt es also den Einzelfall zu prüfen.
Es spielt übrigens meist keine Rolle, ob mithilfe vom Notwegerecht eine Landwirtschaft oder ein Wohngrundstück erreicht werden soll. Wichtig ist in der Regel nur, dass tatsächlich ein Bedarf besteht, das aktuell nicht erschlossene Grundstück zu erreichen.
Es gibt allerdings auch Fälle, in denen der Grundstückseigentümer ein mögliches Notwegerecht verwirkt. Dazu heißt es in § 918 Abs. 1 BGB:
Die Verpflichtung zur Duldung des Notwegs tritt nicht ein, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Wege durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wird.
Verbaut sich ein Eigentümer also selbst den Zugang zur öffentlichen Straße, schließt dies ein Notwegerecht aus.
Urteile zum Notwegerecht
Mit der Frage, wann das Notwegerecht angemessen und tatsächlich notwendig ist, müssen sich zwangsläufig die Gerichte befassen. Denn ein solcher Eingriff in das bestehende Eigentumsrecht sollte stets die letzte Option sein.
Gerade im Hinblick auf mögliche Regelungen, Ausnahmen und Sonderfälle können richterliche Entscheidungen zu diesem Thema interessant sein. Daher führen wir nachfolgend ein paar Beispiele auf, in denen zum Notwegerecht Urteile gefällt wurden.
So entschied das Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil vom 22. März 2018 (Az.: 5 U 60/17), dass von einem Eigentümer nicht der Gebrauch eines Hubschraubers verlangt werden kann, um an sein Grundstück zu kommen. Stattdessen müsse eine Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen möglich sein, weshalb dem Notwegerecht stattgegeben wurde.
Das Landgericht Coburg beschäftigte sich in seinem Urteil vom 02. Juni 2006 (Az.: 32 S 13/06) mit den Voraussetzungen des Notwegerechts und stellte dabei fest, dass persönliche Bedürfnisse und Bequemlichkeit dafür nicht ausreichen. Die strengen Maßstäbe bei der Erteilung greifen demnach nur bei einer akuten Notlage, zukünftige Vorhaben werden daher bei der Entscheidung nicht berücksichtigt.
Laut einem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 28. Juni 2010 (Az.: 6 U 105/08) kann ein Notwegerecht versagt werden, wenn Grundstückseigentümer dessen Notwendigkeit durch bauliche Veränderungen beseitigen können. In diesem Fall war dies durch den Einbau einer neuen Eingangstür möglich.
Ist für das Notwegerecht eine Entschädigung zu zahlen?
Nutzen Sie wegen dem Notwegerecht ein fremdes Grundstück, kann dies für den Besitzer eine Beeinträchtigung bedeuten. Daher sieht der Gesetzgeber dafür grundsätzlich die Möglichkeit eines finanziellen Ausgleichs vor. Unter § 917 Abs. 2 Satz 1 BGB heißt es dazu:
Die Nachbarn, über deren Grundstücke der Notweg führt, sind durch eine Geldrente zu entschädigen.
Wie hoch die Notwegerente ausfällt, hängt vor allem davon ab, wie sehr der Verkehrswert des Grundstücks durch das Notwegerecht gemindert wird. Allerdings ist dabei in der Regel nicht mit hohen Summen zu rechnen. Zudem kann ein solcher Ausgleich auch entfallen, wenn keine Beeinträchtigung vorliegt.
Neben der Geldrente kann das Notwegerecht aber auch noch mit weiteren Kosten einhergehen, denn der Begünstigte ist grundsätzlich für die Erhaltung und Pflege des Notweges verantwortlich. Zu dieser Einschätzung kam zum Beispiel der Bundesgerichtshof in seinem Urteil von 12. Dezember 2008 (Az.: V ZR 106/07). Zur Instandhaltung kann dabei auch die Beauftragung und Bezahlung eines Winterdienstes zählen.