Eine Erhöhung der Sanktionen ist nicht immer erlaubt
Das deutsche Recht gibt Angeklagten und Betroffenen verschiedene Behelfe zur Hand, mit welchen sie Entscheidungen einer übergeordneten Instanz anfechten können. Nicht wenige scheuen sich jedoch vor solch einem Schritt – häufig, weil das eigene Wissen über rechtliche Belange fehlt. Nicht selten haben Beschuldigte zudem Bedenken, dass Widerstand höhere Sanktionen zur Folge haben könnte.
Um eben solchen Verschlechterungen vorzubeugen, gilt für bestimmte Verfahren ein sogenanntes Verschlechterungsverbot. Dieses findet zumeist bei schwerwiegenderen Delikten Anwendungen – wie verhält es sich aber im Bußgeldverfahren? Sind Verkehrssünder auch durch ein Verschlechterungsverbot geschützt?
FAQ: Verschlechterungsverbot
Greift das Verschlechterungsverbot, darf ein Urteil laut Gesetz nach dem Einsatz von Rechtsmitteln nicht zum Nachteil des Beschuldigten geändert werden.
Lediglich wenn Sie wegen einer Entscheidung des Amtsgerichtes eine Rechtsbeschwerde einreichen, besteht ein Verschlechterungsverbot. Legen Sie gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch ein, können in der Regel härtere Sanktionen folgen.
Die entsprechenden Vorschriften ergeben sich aus § 66 Abs. 2 Nr. 1b Ordnungswidrigkeitengesetz.
Inhaltsverzeichnis
„Verschlechterung“ oder „Verböserung“ – das ist gemeint
Solch eine Verschlechterung (im Steuerrecht wird auch der Begriff „Verböserung“ verwendet) wird auch mit dem lateinischen Term „reformatio in peius“ beschrieben. Dies übersetzt sich etwa mit „Änderung zum Nachteil“.
Das Verschlechterungsverbot ist im § 331 Abs. 1 der Strafprozessordnung folgendermaßen definiert:
Das Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Berufung eingelegt hat.
Gleichwohl der Laie eine solche Regelung als wichtiges Prinzip des Rechtstaates ansehen mag, besteht im deutschen Recht kein allgemeines Verschlechterungsverbot.
Das soll nun nicht bedeuten, dass Betroffene grundsätzlich einer behördlichen Willkür ausgesetzt sind. Wer in bestimmten Verfahren einen Einspruch einlegt, der muss sich einfach darüber im Klaren sein, dass eine Verschärfung des Urteils möglich ist.
Der Unterschied zwischen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten
Um das Verschlechterungsverbot richtig zu verstehen, sollte an dieser Stelle der Unterschied zwischen einer Ordnungswidrigkeit und einer Straftat erläutert werden.
Generell sind sowohl Ordnungswidrigkeiten als auch Straftaten Gesetzesbrüche. Eine Ordnungswidrigkeit meint im Regelfall jedoch weniger schwerwiegende Taten. Eine Straftat hingegen übertritt solche Gesetze, die ein besonderes Rechtsgut schützen. Hierzu zählen z. B. das menschliche Leben, die allgemeine Gesundheit oder Sicherheit. Bei Straftaten kommt also ein ethischer Unwert hinzu, während bei Ordnungswidrigkeiten eher von Ungehorsam gesprochen wird.
Auch die Verfolgung unterscheidet sich: Ordnungswidrigkeiten können von zuständigen Behörden verfolgt werden, während bei Straftaten im Regelfall zuerst die Staatsanwaltschaft eingreift. Danach geht die Sache normalerweise an ein zuständiges Strafgericht. Straftaten sind zudem mit Freiheitsstrafe bedroht, Geldsanktionen werden als Geldstrafe in Tagessätzen angeordnet. Für Ordnungswidrigkeiten ist keine Freiheitsstrafe vorgesehen, die Geldsanktion erfolgt anhand festgelegter Geldbußen bzw. Bußgelder.
Das Verschlechterungsverbot greift beim Bußgeldverfahren nur beschränkt
Ist Ihnen nun ein Bußgeldbescheid ins Haus geflattert, dann wurde ein Bußgeldverfahren gegen Sie eröffnet. Zahlen Sie den dort festgelegten Betrag bzw. treten Sie die anderen Sanktionen an und/oder lassen die Einspruchsfrist verstreichen, dann wird dies als Anerkennung Ihrerseits gewertet und der Bescheid erlangt Rechtskraft. Dann ist es im Regelfall sehr schwer, gegen festgelegte Maßnahmen vorzugehen.
Wer sich hingegen nicht mit den im Bescheid festgelegten Sanktionen abfinden will, der hat die Möglichkeit, innerhalb einer zweiwöchigen Frist nach Zustellung einen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zu verfassen. Hier kommt jedoch die „schlechte Nachricht“: Das Verschlechterungsverbot gilt nicht für das Bußgeldverfahren in erster Instanz.
Zum besseren Verständnis über das Verschlechterungsverbot im Bußgeldverfahren sollte zuvor der typische Ablauf des Einspruchverfahrens betrachtet werden:
- Wenn Sie einen Bußgeldbescheid durch einen Einspruch anfechten, dann prüft die Behörde in der Regel als erstes, ob der Einspruch form- und fristgerecht eingegangen ist.
- Wenn dies der Fall ist, wird im nächsten Schritt darüber entschieden, ob die Behörde den Bescheid aufrechterhalten will. Tut sie das nicht, dann wird der Bescheid fallengelassen. Wird der Bescheid hingegen aufrechterhalten, geht die Sache in einem Zwischenverfahren an eine Staatsanwaltschaft.
- Befindet auch diese die Richtigkeit des Bescheides, geht die Sache an das Amtsgericht. Diese prüfen die Sache erneut. Kommt das Amtsgericht zu dem Schluss, dass der Einspruch zulässig ist, folgt ein gerichtliches Hauptverfahren.
Während all dieser Schritte besteht im Regelfall kein Verschlechterungsverbot. Ein Verschlechterungsverbot würde in einem Bußgeldverfahren jedoch dann greifen, wenn Betroffene eine Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichtes stellen würden. Eine weitere Ausnahme bestünde, wenn es sich um ein Beschlussverfahren handeln würde. Solch ein Beschlussverfahren kann dann stattfinden, wenn das Gericht eine Hauptverhandlung nicht für erforderlich hält. Dann ergeht kein Urteil, sondern eben ein Beschluss.
Betroffene sollten sich lediglich darüber im Klaren sein, dass die im Bescheid festgelegten Maßnahmen nicht in Stein gemeißelt sind. Würden etwa bei der erneuten Prüfung des Bescheides neue Indizien hinzukommen, welche eine zusätzliche bzw. strengere Sanktion begründen, dann ist eine Verhängung derselben durchaus erlaubt.
Selbiges würde gelten, wenn im Zuge der gerichtlichen Verhandlung andere Vergehen entdeckt würden. Auch in der Hauptverhandlung kann zum Nachteil des Betroffenen geurteilt werden.
Dies sollte standardmäßig auch auf einem Bußgeldbescheid vermerkt sein. Das Ordnungswidrigkeitengesetz bestimmt diesbezüglich in § 66 Abs. 2 Nr. 1b:
Der Bußgeldbescheid enthält ferner
1. den Hinweis, daß
[…] b) bei einem Einspruch auch eine für den Betroffenen nachteiligere Entscheidung getroffen werden kann, […].